Fördermöglichkeiten
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Motorischer Bereich
- Lockerung und Entspannung der Muskulatur. Durch die dreidimensionale Bewegungsübertragung während dem Reiten wird die gesamte Muskulatur gelockert. Der Muskeltonus wird automatisch reguliert. Bei spastischer Muskulatur wird der Tonus während dem Reiten gesenkt. Werte wie bei der Wassertherapie werden erreicht. Bei zu schlaffem Tonus wird durch das Reiten eine deutliche Steigerung des Muskeltonus erreicht. Durch das ständige sich ausbalancieren und sich aufrichten auf dem bewegenden Pferderücken, findet eine Kräftigung der Haltemuskultur statt. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten wie weich und entspannt Spastiker auf dem Pferderücken werden und oft fällt im Alltag die Pflege leichter da ihr Körper beweglicher und lockerer wird. Schon viele Physiotherapeuten haben mir dies bestätig!
- Durch das ständige Ausbalancieren wird das Gleichgewicht geschult und gefördert. Die stetigen Gleichgewichtsreize, beim Sitzen auf der sich bewegenden „Unterlage“ Pferderücken in allen Gangarten, ist für unser Gleichgewicht eine grosse Herausforderung. Kinder die ständige Gleichgewichtsreize suchen wie zum Beispiel ADS Kinder, werden auf dem Pferd entspannt und konzentriert. Ich bin immer wieder erfreut zu sehen, wie hyperaktive ADS Kinder durch die ständigen Bewegungsreizen auf dem Pferd in eine tiefe Entspannung und Ruhe kommen. Oftmals können sich Kinder auf dem Pferd erstaunlich gut entspannen, loslassen und Stress abbauen.
- Bei geistig Behinderten Menschen bewirkt die Verbesserung des Gleichgewichts oft eine grössere Selbständigkeit, sie können ohne Hilfe auf einem Bein stehen, kommen so in die Badewanne oder können sich die Jeans selber anziehen. Auch ihr Gang kann sich durch das Training auf dem Pferd stark verbessern. Ihre Bewegungsabläufe werden fliessender, dynamischer und sichererer, was sich wiederum positiv auf ihr Selbstvertrauen auswirken kann.
- Beim Reiten findet eine Kräftigung der gesamten Haltemuskulatur statt. Durch die Aufrichtung die beim Reiten erforderlich ist, trainiert das Reiten die Haltermuskulatur und verbessert sie. Da die Bodenarbeit mit dem Pferd auch einen grossen Stellenwert im HPR hat, arbeitet man auch stark an der aufrechten, selbstsicheren Körperhaltung während man das Pferd führt. Heilpädagogisches Reiten hilft, die Körperhaltung bewusst zu verbessern.
- Durch das Ausführen von Koordinations- und Raumlageübungen auf dem Schreitenden Pferd in allen Gangarten wird die Geschicklichkeit, die Reaktion und die Koordination gefördert. Dies bewirkt eine bessere Beweglichkeit, fliessende Bewegungsabläufe, eine Erhöhung des Reaktionsvermögens und mehr Geschicklichkeit.
- Durch die Arbeit am Pferd, dem Putzen und Zäumen, kann die Feinmotorik gut gefördert werden. Das Fell bietet viele taktile Anregungen, die genutzt werden können. Der Umgang mit den Bürsten während dem Vorbereiten des Pferdes und die vielen Schnallen und Gurte sind weitere Übungsfelder zur Förderung der Feinmotorik.
Kognitiver Bereich
- Förderung der Konzentration durch die Arbeit mit und auf dem Pferd. Wenn man ein Pferd führt oder es reitet, muss man bei der Sache sein d.h. man muss sich konzentrieren. Das Pferd spürt sofort, wenn wir unkonzentriert sind und geht seine eigenen Wege zum Beispiel zum nächsten Grasbüschel! Gerade unkonzentrierte und leicht abgelenkte Menschen werden dadurch geschult und sind gezwungen ihre Aufmerksamkeit beim Pferd zu lassen.
- Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass viele Kinder mit Entwicklungsstörungen grosse Mühe haben sich genügend zu konzentrieren und ihre Handlung vorauszuplanen. Durch die Beziehung zum Pferd sind die Kinder und Jugendlichen sehr motiviert und haben Spass etwas mit ihm zu üben. Ganz unbewusst üben sie jedoch ihre Konzentrationsspanne zu erhöhen. Die vielen kleinen Erfolgsschritte erhöhen den Spass und das Kind /der Jugendliche erlebt sich selber erfolgreich. Oftmals kann so die Dynamik des Misserfolgs durchbrochen werden und neuen Mut zum Lernen geweckt werden, was sich wiederum positiv auf das Selbstwertgefühl auswirkt.
- Handlungsplanung ist zentral, wenn man mit Pferden arbeitet. Auf dem Pferd muss man vorausschauend Planen um die richtigen Kommandos zur richtigen Zeit zu geben. Bei ADS Kindern mit hoher Impulsivität und bei Menschen mit wenig Handlungsplanung bietet das Reiten ein enormes Lernfeld. Ich erlebe oft, dass es vielen Kindern schwerfällt einen kleinen Parcours zu führen. Das Timing stimmt nicht, man denkt nicht daran das Pferd vorzubereiten und man hat keine Idee vom Ablauf. Mit der Zeit geht es dann immer besser und das Handeln wird zielgerichtet und geplant. Die Kinder und Jugendlichen übernehmen immer mehr Verantwortung und entwickeln sich zu zielstrebigen Pferdeführern. Die Erhöhung ihrer Führungskompetenz gibt ihnen Selbstsicherheit und erfüllt sie mit Stolz.
- Merkfähigkeit Das sich Orientieren im Stall und das Vorbereiten des Pferdes bietet viele spielerische Möglichkeiten die Merkfähigkeit zu fördern.
Emotional- sozialer Bereich
- Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Pferd und zur Therapeutin Das Kuscheln und Streicheln mit dem Pferd, nährt das Bedürfnis nach Wärme, Geborgenheit und Körperkontakt. Da ein Pferd jeden Menschen so akzeptiert wie er ist, weil es ihm egal ist welchen Status, Ausbildung, Äusseres, Stärken und Schwächen jemand hat, macht die Beziehung zu ihm wertvoll. Das Pferd reagiert wertefrei auf uns. Es reagiert auf unser Verhalten und unsere Stimmung und spiegelt diese. Im Zusammensein mit dem Pferd, erfährt man immer auch etwas über sich selber. Dieser Prozess wird von der Therapeutin begleitet und bewusst mitgestaltet. Die Bildung einer vertrauensvollen Beziehung im Dreieck Therapeut, Pferd, Kind ist die Basis der pädagogisch therapeutischen Arbeit im HPR. Daraus entsteht oft eine grosse Bereitschaft und Motivation, an sich selber zu arbeiten und sich zu verbessern. Ich erlebe immer wieder sehr schöne magische Momente in der Therapie mit dem Pferd. Kinder legen sich aufs Pferd, legen Hände und Gesicht ins Fell und lassen sich so tragen. Geniessen die Nähe, die Wärme und das getragen sein! Immer wieder kommt es zu berührenden Interaktionen zwischen dem Therapiepferd und dem Klienten. Es gibt Kinder und Jugendliche die einige Therapiestunden nur kuscheln wollen weil ihr Bedürfnis nach Körperkontakt und Geborgenheit so gross ist.
- Bewältigung und Abbau von Ängsten sowie überwinden von eignen Grenzen Die Begegnung mit Pferden löst bei den meisten Menschen Ängste aus, die überwunden werden müssen. Über die Bildung von gegenseitigem Vertrauen können diese Ängste abgebaut werden. Das erste Mal den Sprung in den Galopp wagen, das erste Mal das Pferd alleine führen etc. sind Beispiele wo im Umgang mit dem Pferd Grenzen erweitert werden und Mut aufgebracht werden muss. Schrittweise kann so geübt werden, mit der eigenen Angst umzugehen und sie zu überwinden.
- Stärkung des Selbstwertgefühls und Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit Wollen wir mit einem Pferd arbeiten, müssen wir ihm vertrauenswürdig erscheinen damit es uns vertrauensvoll anschliessen will. Das Pferd als Herdentier will sich naturgemäss einem Anführer anschliessen, der ruhig, selbstsicher und mit natürlicher Autorität die Gruppe anführt. Die Rangordnung ist dabei hierarchisch, klipp und klar geregelt. Diesen Umstand nutzt man in der Therapie. Man lernt den Patienten eine selbstsichere Körperhaltung einzunehmen, deutlich und klar zu kommunizieren und zielgerichtet zu führen, während er mit dem Pferd arbeitet. Ähnlich wie das ranghöchste Tier der Gruppe, wird vom Patienten eine starke Führungskompetenz erarbeitet, die sich auf seine Persönlichkeit positiv auswirken wird. Viele Persönlichkeitstrainer, sind mittlerweile auf das Pferd als Trainingsgehilfen bei Weiterbildungslehrgängen gestossen. Auch Kinder und Jugendliche haben viel Spass an dieser Form von Arbeit an sich selber, die sie in ihrer Persönlichkeit und Selbstkompetenz weiterbringt.
- Erlangen von Verantwortungsgefühl Gerade Kinder und Jugendliche haben im Umgang mit dem Pferd die Chance, ihre sozialen Fähigkeiten zu erweitern und für ein Lebewesen Verantwortung zu übernehmen. Es zu pflegen und umsorgen und Arbeit für sein Wohlergehen zu leisten ist eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und eine Alternative zu Fernsehen und Computer. Viele Kinder und Jugendliche, geniessen die Stallatmosphäre in natürlicher Umgebung und die verschiedenen Tieren auf dem Hof. Sie helfen gerne mit und lernen mit anpacken.
- Förderung der empathischen Fähigkeiten Pferde reagieren auf unser Verhalten und nehmen unsere Schwingungen und Stimmungen sofort wahr. Sie spüren ob wir nervös, hektisch, energielos etc. sind. Bei der Arbeit mit dem Pferd muss man sich einerseits selbstreflektieren können andrerseits müssen wir das Pferd genau beobachten, es spüren und uns einfühlen. Bei jedem gemeinsam gemachten Schritt, muss sich der Patient in das gegenüber, das Pferd versetzen können und seine Reaktion lesen lernen, es beobachten und seine Reaktionen interpretieren. Die Perspektive wechselt vom Ich zum Du! Die empathischen Fähigkeiten werden im Zusammensein mit dem Pferd ständig geschult.
- Erhöhung der Frustrationstoleranz Wer mit Pferden arbeitet, kann seinen Frust bei Misserfolg nicht einfach raus lassen, sondern muss den Fehler des Verhaltens bei sich suchen, ohne das Vertrauen des Pferdes zu zerstören. Das Pferd ist keine Maschine und funktioniert nicht auf Knopfdruck. Geduld und Durchhaltewille wird gebraucht und man muss sich selber immer wieder hinterfragen welches Verhalten geändert werden muss. Dies bedingt automatisch eine schrittweise Erhöhung der eigenen Frustrationstoleranz.
- Soziales Lernen in der Gruppe, Steigerung der Sozialkompetenz Wenn mit Gruppen gearbeitet wird, lernen Kinder und Jugendliche, Rücksicht zu nehmen, das Pferd zu "teilen", sich abzusprechen, als Team das Pferd vorzubereiten, einander zu Helfen und dem Pferd etwas Gutes zu tun. Die Beeinflussung der Gruppendynamik gelingt dank dem Pferd meistens sehr positiv.
- Entwicklung einer positiven Lebenseinstellung durch intensiven Kontakt zum Pferd und zur Natur Das heilpädagogische Reiten findet in der Natur, in reizarmer Umgebung statt. Die Jahreszeiten, die Vegetation, die Kälte, die Wärme, der Wind und die Sonne gehören zur Therapie mit dem Pferd. Dies bietet einerseits viel Gesprächsstoff und besondere Erlebnisse die zu einem Wir-Gefühl führen. Das Aushalten der Witterung, ist für viele Patienten einfach, da sie es nicht mehr gewöhnt sind. Mit der Zeit lernen sie jedoch, sich in der Natur zu bewegen, Kälte zu trotzen und durchzuhalten, um sich dann an einem warmen Frühlingstag zu erfreuen.
- Entspannung durch das „sich tragen lassen“, Stressabbau, Förderung des psychischen Gleichgewichts Das sich tragen lassen wird von allen Patienten als sehr entspannend empfunden. Man kann sich gehen lassen, ist in einer anderen Welt, kann abschalten, ist in einem beruhigenden Rhythmus und geniesst es. Dabei empfindet man die Wärme und den wiegenden Körperkontakt als Genuss. Der Patient kann loslassen, Stress und Spannungen abbauen und seine Batterien aufladen. Auch das Gelände wird bewusst in die Therapieplanung einbezogen. Weite Landschaften, Felder wo sich das Auge erholen kann oder eine idyllische Umgebung wie z.B. ein schöner Waldrand mit vielen Vogelstimmen oder ein rauschendes, belebendes Bächlein das munter gurgelt, trägt auch wesentlich zur Therapiestimmung bei und hilft den gewünschten Effekt zu erreichen.
Sprachlicher Bereich
- Erlernen einer klaren und selbstsicheren verbalen Kommunikation Im Umgang mit dem Pferd lernen die Patienten dem Pferd klar und selbstsicher zu artikulieren was sie von ihm wollen. Dabei muss erlernt und sich getraut werden, der Stimme eine gewisse Kraft zu verleihen, was oft auch im Alltag für Menschen mit wenig Selbstvertrauen eine Verbesserung bringt.
- Hilfe bei Redeflussstörungen wie u.a. Stottern, Stammeln Bei Redeflussstörung bewirkt das Reiten oft einen positiven Effekt. Durch das rhythmische sich tragen lassen wird der Körper und die Seele so gelöst, dass während dem Reiten das Stottern automatisch weniger wird oder gar nicht auftritt. Der Umstand, dass der Patient und der Therapeut während dem Reiten nicht konfrontativ kommunizieren, sondern neben dem Pferd schreitend oder reitend, hilft Verspannungen in der Sprache zu lösen. Ich hatte schon einmal einen Jugendlichen Stotterer, der auf dem Pferd ganz normal sprechen konnte! Das hat mich sehr beeindruckt und für den Jugendlichen bedeutete dies sehr viel Entspannung und Ermutigung.
Wahrnehmung
Wahrnehmungsschulung insb. Der Basissinne
Das Heilpädagogische Reiten bietet eine Fülle von Fördermöglichkeiten der gesamten Wahrnehmung.
Gleichgewicht, Tiefensensibilität, Tastsinn
Eigenwahrnehmung, Kraftdosierung
Wahrnehmung von Raum und Raumlage